Touchpoints
Wie die Millennials einkaufen
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Entscheidungsmotive der Generation beziehungs(un)fähig
Marketing und Soziologie hängen eng zusammen. Wie wir auf Marken und deren Kommunikation reagieren, ist nicht festgelegt, ist nicht einfach so berechenbar qua Stimulus-Response sondern vielmehr eine Frage der individuellen Sozialisation von Zielgruppen beziehungsweise einzelner Persönlichkeiten. Wenn wir Marketer also wollen, dass unsere Produkte den Weg auf Agenda, in Einkaufskorb und am besten in die Köpfe unserer potenziellen Kunden finden, sollten wir uns die Beweggründe für Käufe einmal genauer ansehen.
Das Lieblingskind von Unternehmen sind nicht die Impulskäufe von Konsumenten. Es sind die Wiederkäufe , die für den Erfolg der Marke von besonders großer Bedeutung sind – egal ob sie online oder offline stattfinden. Ihre Anzahl ist eine wichtige Messgröße für das Vertrauen der Kunden. Denn um diese zu erzielen, muss nicht nur das Produkt gut sein, sondern auch die Message des Produktes stimmen. Ein Wiederkauf ist eine Art Verbleib, er beschreibt eine Beziehung zwischen Kunde und Produkt und im besten Fall auch zwischen Kunde und Marke. Eine solche Markentreue ist in der Welt der Schnelllebigkeit ein rares Gut. Wie bei menschlichen Beziehung scheint auch der Partner „Marke“ schnell austauschbar zu sein. Die Auswahl ist schließlich groß. Auf dem Weg zum perfekten (Marken-)Partner begegnet einem schließlich nicht nur ein attraktiver Kandidat.
Die Generation Y, auch Millennials genannt, gilt als besonders kritisch. Man sagt ihr nach, beziehungsunfähig, geradezu bindungsphobisch zu sein. Die Sozialpsychologin Jennifer Aaker nimmt an, dass Menschen Marken wie Menschen kategorisieren. Doch was bedeutet das für die Unternehmenskommunikation und Marketing, wenn wir diese Annahme auf die kritische Generation Y übertragen? Welche Motive bewegen die Generation denn heute noch feste Beziehungen einzugehen – zu Menschen und zu Marken?
Gemeinsam individuell zur optimalen Identität
In Interviews mit Vertretern der Generation Y fand ich heraus: Wir sind nicht bindungsphobisch oder gar beziehungsunfähig, eigentlich führen wir sogar gerne Beziehungen. Aber: Die Voraussetzung müssen stimmen – und da kennen wir kein Pardon. Unsere Beziehungen zu Menschen müssen unsere individuelle Identität stützen, das unterstreichen, was und wer wir sind, oder vielmehr: was oder wer wir sein wollen. In den zwischenmenschlichen Beziehungen gibt es zwei Standard-Modelle, die jeder sprichwörtlich kennt: „Gleich und gleich gesellt sich gern“ und „Gegensätze ziehen sich an“. Tatsächlich scheint eine Mischung aus beiden Ansätzen der Wahrheit am nächsten zu kommen. Es ist gut, die gleichen Interessen zu haben und ähnlich sozialisiert zu sein. Grundlagen-Diskussionen über Lebenseinstellungen und Zukunftspläne sind für eine längerfristige Bindung nicht hilfreich – so meine Interviewpartner. Damit steht fest: Das Elternhaus und der Bildungsweg sollten ähnlich gewesen sein.
Es ist aber durchaus erwünscht, dass der Partner differente persönliche Stärken hat. Warum? Weil diese Stärken einem selbst nützlich sind, die eigenen Schwächen ausgleichen und in Kombination zu einer starken Symbiose führen. So rational erörterten meine Interviewpartner ihren Standpunkt. Was zunächst sehr pragmatisch und unromantisch klingt, ist es eigentlich gar nicht: Die Generation Y definiert ihre eigenen Schwerpunkte, damit sie langfristige Beziehungen und enge Bindungen eingehen kann – und das ist wiederum ganz schön romantisch. Das Mantra ist also wortwörtlich: Passt du gut zu mir, passen wir gut zusammen – und gemeinsam finden wir dann einen Weg, individuell zu sein und unsere Beziehung individuell zu gestalten. Die Generation Y entwickelt aus ihrem Ich heraus also eine individuelle Identität des Wir.
Und was bedeutet das nun für das Marketing?
Unternehmen sollten sich ihre Zielgruppen genauer anschauen – noch genauer! Die Millennials sollten auf ihrem Weg zu ihrer Identität unterstützt werden, die sie auch online in sozialen Netzwerken zelebrieren. Damit diese kritische Generation Vertrauen in Marken hat, muss sie in den Marken eine Art Partner sehen, die ihre Individualität unterstützt. Und diese Partnerschaft zwischen Mensch und Marke muss sich rational begründen lassen. Denn: In den Interviews war auffällig, dass alle Gesprächspartner sowohl die Gründe für zwischenmenschliche Beziehungen rational verargumentierten als auch die Gründe für den Wiederkauf von Produkten gleicher Marken. Es sind die Nützlichkeitsaspekte, die zumindest in der Selbstwahrnehmung der Generation Y im Mittelpunkt stehen.
Für Marketingmaßnahmen gilt also: Gefühle wecken ist wichtig, dennoch benötigt die Generation aus Pragmatisten für jede Art der Beziehung, die sie führt, rational begründbare Entscheidungsmotive. Das bedeutet, dass Marken neben berührenden Aspekten in der Kommunikation auch die Qualität zu betonen sollten und den Sinn des Kaufs in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen. Eröffnet sich dieser Sinn, ist auch unsere unstete, kritische, bindungsphobische Generation Y bereit, treu zu bleiben und mehr Geld für ein Produkt in die Hand zu nehmen.