Digitale Transformation
Wie künstliche Intelligenz unser Leben verändert
Befürchtungen und Hoffnungen auf den Medientagen
Die Medientage München, früher eine geschlossene Veranstaltung klassischer Medien, entdecken die Digitalthemen für sich – und beschäftigen sich zwei Tage lang (auch) mit künstlicher Intelligenz (KI).
Technologie und Kreativität bilden das Spannungsfeld, in dem sich KI bewegt: „Sie könnten ein Traumpaar sein“, sagte Jung-von-Matt-Agenturgründer Jean-Remy von Matt, „doch der Beziehungsstatus lautet: kompliziert“. Ohne kreative Ideen gebe es keine Innovation, dennoch gerate die Kreativität jedes Mal ins Stocken, wenn die Technologie einen großen Sprung mache. Denn dann, so von Matt, stünden die technischen Funktionen im Vordergrund.
Die Technologie könne jedoch den Marken, die über sie verfügten, nur einen Vorsprung verschaffen: „Nach jedem Technologiesprung machen die Inhalte, die großen Ideen, den Unterschied.“ Algorithmen könnten zwar inzwischen relevante Inhalte produzieren, doch Relevanz allein sei langweilig. „In der Marketingkommunikation brauchen wir Relevanz und Firlefanz, vor allem, wenn es um Aufmerksamkeit als knappe Ware geht“, so von Matt.
Ob Smart Speaker schon zur künstlichen Intelligenz zählen? Auf den Medientagen auf jeden Fall. Die New York Times hat Marktforschung betrieben, um herauszufinden, wie die Sprachassistenten Alexa und Google Assistant derzeit in den USA genutzt werden – und anschließend Formate zu kreieren, die zum Verhalten passen und Mehrwert bieten. Bislang ist die Verwendung eher simpel: Fragen stellen, Musik hören, den Wetterbericht erfahren, Wecker stellen und Radio hören, das sind die fünf häufigsten Anwendungsszenarien.
„Es geht nicht nur darum, was Technologie kann, sondern wie Menschen darauf reagieren“, erklärt Kourtney Bitterly, die die Marktforschung bei der New York Times leitet, in ihrem Vortrag „The Future of AI is Voice“. Sprachassistenten würden von den Befragten als Möglichkeit empfunden, wieder Kontrolle über die Nachrichtenflut zu erlangen und Abstand von Smartphone, Tablet und Notebook zu gewinnen – informiert zu sein und geistig gesund zu bleiben.
Die meisten Menschen nutzten Sprachassistenten vor allem morgens und abends während des Kochens. Weder lange Podcasts noch Ein-Minuten-Briefings seien hier passend, erklärt Bitterly. Denn um angenommen zu werden, müssen journalistische Formate in die Alltagsroutine passen, die Wünsche spezieller Zielgruppen erfüllen und sich dafür eignen, von mehreren Personen in einem Raum gehört zu werden. Wie so ein Format aussehen kann, daran arbeitet die New York Times noch.
Andere sind da schon weiter. Das Unternehmen Tawny zum Beispiel erfasst Mimik und/oder biometrische Daten wie Herzschlag, Leitfähigkeit und Temperatur der Haut. Auf diesem Weg lassen sich nicht nur Stimmungen von Menschen erfassen, sondern auch vorhersagen, wie wahrscheinlich ein Schütze treffen - oder ein Callcenter-Mitarbeiter einen Vertrag erfolgreich abschließen wird. Da werden sich bestimmt Firmen finden, die eine solche Technologie einzusetzen wissen. Wie freiwillig die Mitarbeiter ihre Daten zur Verfügung stellen, seht auf einem anderen Blatt.
„Die Eroberung unserer Geisteskraft durch Software, Maschinen und KI hat bereits begonnen,“ erklärte Miriam Meckel, Herausgeberin der Wirtschaftswoche. Algorithmen könnten bereits mit großer Präzision Krankheiten diagnostizieren oder auch kreative Leistungen erbringen. Über Gehirnimplantate können wir unsere Gedanken auslesen und Roboterarme steuern oder Texte schreiben lassen. „Diese Entwicklungen sind eine große Errungenschaft, bergen aber auch die Gefahr einer Schnittstelle, die auslesbar, manipulierbar und hackbar ist. Hier stoßen wir an die Grenzen der Privatheit und der Freiheit der Gedanken.“
Noch ist der Mensch der Maßstab, wenn wir definieren, was Intelligenz ist. Doch während ein Algorithmus nur so clever wie sein Programmierer ist, gibt KI das Versprechen, eigenständig zu lernen und somit den Menschen zu übertreffen. Das gilt jedoch nicht für den Bereich Kreativität, so Eugen L. Gross, Mitgründer und CEO von aiconix, einer Firma für Videooptimierung: „KI ist nicht kreativ, aber sie wird uns helfen, technisch perfekt zu sein, damit wir das machen, was wir am besten können: kreativ sein!“